4.

Online-Vortrag Wahrnehmendes Beobachten

Teil 4: Dokumentieren

4. Schritt: Dokumentieren

In der Arbeit in Kin­der­ta­ges­stät­ten gibt es vie­le Grün­de, kind­li­che Bil­dungs­pro­zes­se zu doku­men­tie­ren. Die Doku­men­ta­tio­nen die­nen den Kin­dern als Spie­gel des­sen, was sie in der Kita erfah­ren kön­nen, sie die­nen der Trans­pa­rent­ma­chung der päd­ago­gi­schen Arbeit gegen­über den Eltern und deren Teil­ha­be am päd­ago­gi­schen All­tag in der Kita, dem pro­fes­sio­nel­len Umgang im Team und der Zusam­men­ar­beit mit koope­rie­ren­den Insti­tu­tio­nen wie die Früh­för­de­rung oder Grundschulen.

Bildungsdokumentation

Jedes Kind hat das Recht auf eine Bil­dungs­do­ku­men­ta­ti­on, in der sei­ne Bil­dungs­pro­zes­se indi­vi­du­ell – und nicht sche­ma­haft in Form von aus­zu­fül­len­den Vor­la­ge­blät­tern – fest­ge­hal­ten wer­den. Es macht Sinn, die Bil­dungs­do­ku­men­ta­ti­on des Kin­des in Form von Wahr­neh­men­den Beob­ach­tun­gen, kom­men­tier­ten Zeich­nun­gen, foto­gra­fier­ten Wer­ken und foto­gra­fier­ten Bil­dern, einer CD mit Video­sze­nen zu Spiel­pro­zes­sen des Kin­des, einer Samm­lung wört­li­cher Aus­sa­gen des Kin­des und Noti­zen der Pädagog*innen, die die Bil­dungs­pro­zes­se des Kin­des zu ver­an­schau­li­chen ver­su­chen, zu gestalten.

Auch Pro­jekt­do­ku­men­ta­tio­nen kön­nen Teil der Bil­dungs­do­ku­men­ta­tio­nen wer­den, denn der All­tag der Kin­der­ta­ges­stät­te ist deut­lich durch die Inter­ak­ti­on mit den Peers geprägt; war­um soll­ten sie nicht auch Teil der Bil­dungs­do­ku­men­ta­ti­on sein? Die Freun­de sind mit das Wich­tigs­te für die Kin­der inner­halb der Kita. Natür­lich müs­sen für Doku­men­ta­ti­ons­zwe­cke die Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen der Eltern vor­her ein­ge­holt wer­den. Am bes­ten lässt man sich bereits bei der Anmel­dung des Kin­des eine sol­che Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung unter­schrei­ben und klärt über die Beob­ach­tungs­pra­xis der Kin­der­ta­ges­stät­te auf. Die Eltern haben auch jeder­zeit das Recht auf Ein­sicht in die Bil­dungs­do­ku­men­ta­ti­on ihrer Kinder.

„In der Bil­dungs­do­ku­men­ta­ti­on wer­den die Ergeb­nis­se der regel­mä­ßi­gen, ganz­heit­li­chen Beob­ach­tun­gen der Bil­dungs­pro­zes­se des Kin­des schrift­lich fest­ge­hal­ten und die indi­vi­du­el­le Bil­dungs­ge­schich­te pro­zess­haft dar­ge­stellt“ (Minis­te­ri­um für Fami­lie, Kin­der, Jugend, Kul­tur und Sport des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len & Minis­te­ri­um für Schu­le und Wei­ter­bil­dung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len 2016, S 38). Jedes Bun­des­land hat bestimm­te Vor­ga­ben für die Beob­ach­tung und Doku­men­ta­ti­on von kind­li­chen Bil­dungs­pro­zes­sen. In NRW – wo das Wahr­neh­men­de Beob­ach­ten ent­wi­ckelt wur­de – wird Wahr­neh­men­des Beob­ach­ten im Kin­der­bil­dungs­ge­setz und in den Bil­dungs­grund­sät­zen als pro­zess­ori­en­tier­tes Ver­fah­ren für die Arbeit in Kin­der­ta­ges­stät­ten empfohlen.

Die Kin­der lie­ben es, sich ihre Bücher oder Ord­ner anzu­schau­en, wenn die­se regel­mä­ßig mit neu­en Beob­ach­tun­gen und Fotos ange­rei­chert wer­den. Oft zei­gen sie stolz ihren Freun­den, Eltern oder den päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten bestimm­te Sei­ten in ihrem Buch. Manch­mal schau­en sie sich ihre Bücher gemein­sam an und nut­zen dies für einen kom­mu­ni­ka­ti­ven Aus­tausch über Erlebtes.

Die Dokumentation als ein Schritt didaktischen Handelns

Nicht aus jeder Beob­ach­tungs­no­tiz muss eine Wahr­neh­men­de Beob­ach­tung oder eine Doku­men­ta­ti­on ent­ste­hen. Doku­men­ta­tio­nen berei­ten Beob­ach­tun­gen, Hand­lungs- und Sinn­zu­sam­men­hän­ge so auf, dass die Erkennt­nis­se und Schlüs­se für ande­re Men­schen – Kin­der, Eltern, Kolleg*innen oder ande­re Inter­es­sier­te – sicht­bar und nach­voll­zieh­bar wer­den. Sie sol­len etwas zei­gen, ver­ständ­lich machen und Zusam­men­hän­ge darstellen.

Die Doku­men­ta­ti­on dient dazu, Ergeb­nis­se fest­zu­hal­ten Sie kann aber auch wäh­rend eines Pro­zes­ses als didak­ti­sches Werk­zeug ein­ge­setzt wer­den. „Die Doku­men­ta­ti­on struk­tu­riert eine (oder meh­re­re) Beobachtung(en), fasst sie zusam­men, ord­net sie; sie for­mu­liert Aus­sa­gen, Hypo­the­sen und Fra­gen Sie drückt einen Erkennt­nis­stand aus, führt aber zugleich zu neu­en Erkennt­nis­sen“ (Kaze­mi-Veisa­ri 2004, S 104).

Die Dokumentation als Ergebnis eines Reflexionsprozesses

In einer Doku­men­ta­ti­on wer­den ver­schie­de­ne Doku­men­te, die von einer oder meh­re­ren Pädagog*innen zu einem bestimm­ten Pro­zess, einem The­ma oder einer Fra­ge­stel­lung ver­fasst wur­den, mit­ein­an­der in Bezie­hung gesetzt. Dadurch fin­det eine Sys­te­ma­ti­sie­rung statt. Eine oder meh­re­re Wahr­neh­men­de Beob­ach­tun­gen, wört­li­che Aus­sa­gen der Kin­der, Fotos, Noti­zen der Pädagog*innen, Zeich­nun­gen und ande­re Wer­ke der Kin­der wer­den mit den Ergeb­nis­sen der Refle­xi­on zusammengestellt.

Die Doku­men­ta­ti­on ist eine Art roter Faden, die alle wich­ti­gen Ereig­nis­se ver­bin­det, die zuvor in der Refle­xi­on auf­ge­deckt wur­den. „Die Doku­men­ta­ti­on hat die Auf­ga­be, zu deko­die­ren, zu ent­schlüs­seln, also Bedeu­tungs­ar­beit zu leis­ten, aller­dings mit genau­em und sorg­fäl­ti­gem Bezug auf die Beob­ach­tun­gen (…). Die­se Bedeu­tungs­ar­beit bleibt aller­dings immer – und das darf nicht ver­ges­sen wer­den – wie jede Beob­ach­tung eine sub­jek­ti­ve Inter­pre­ta­ti­on, eine Kon­struk­ti­ons­ar­beit des­je­ni­gen, der die­se Arbeit leis­tet und doku­men­tiert“ (Kaze­mi-Veisa­ri 2004, S 99).

Doku­men­ta­tio­nen sind Zusam­men­stel­lun­gen, die Wahr­ge­nom­me­nes, Deu­tun­gen und Inter­pre­ta­tio­nen ver­bin­den, um auf­zu­zei­gen, wel­che Bedeu­tung das Gesche­hen für die Kin­der haben könn­te (vgl. Spaggia­ri 2002). Jedes Kind soll­te ein eige­nes Buch oder einen Ord­ner haben, in dem sol­che Bil­dungs­do­ku­men­ta­tio­nen gesam­melt wer­den können.

Die Dokumentation als didaktisches Werkzeug

Als didak­ti­sches Werk­zeug ermög­licht die Doku­men­ta­ti­on es den Kin­dern, an ihren aktu­el­len The­men und Tätig­kei­ten anzu­knüp­fen und sie wei­ter­zu­füh­ren. Damit eine Doku­men­ta­ti­on qua­si als exter­nes Gedächt­nis für die Kin­der fun­gie­ren kann, bie­ten sich vor allem zwei For­men an:

  • Wand-Doku­men­ta­tio­nen
  • Klei­ne Ausstellungen
Wand-Dokumentationen

Nach dem Pro­zess des Beob­ach­tens, Beschrei­bens und Reflek­tie­rens wäh­len Sie aus, wel­che Momen­te Ihnen im Sin­ne mög­li­cher Lern- und Ver­ste­hens­we­ge der Kin­der als wich­tig und bemer­kens­wert erschei­nen, und berei­ten sie zeit­nah zu einer Wand-Doku­men­ta­ti­on auf. Die Doku­men­ta­ti­on zeigt anhand von Fotos Schlüs­sel­sze­nen, die wie­der­um mit Über­schrif­ten, kur­zen Tex­ten, Aus­sa­gen der Kin­der und Inter­pre­ta­tio­nen ver­se­hen wer­den. Dadurch wird den Kin­dern bereits Gesche­he­nes gespie­gelt und for­dert gleich­zei­tig zu neu­en Aus­ein­an­der­set­zun­gen und Wahr­neh­mun­gen her­aus (vgl. Sten­ger 2010).

Gute Wand-Doku­men­ta­tio­nen wer­fen Fra­gen auf, laden zum Aus­tausch, zu neu­en Inter­pre­ta­tio­nen ein und kön­nen Ideen aus­lö­sen. Sie zei­gen zusam­men­hän­gen­de Ereig­nis­se, die vor eini­ger Zeit begon­nen hat­ten und in der Zukunft wei­ter­ge­führt wer­den. In die­sem Sin­ne wer­den sie genutzt, um kind­li­che Bil­dungs­pro­zes­se zu unter­stüt­zen. Sie spie­geln, was wahr­ge­nom­men wur­de, und erin­nern die Kin­der an bereits Gesche­he­nes (ebd.).

Wand-Doku­men­ta­tio­nen soll­ten auf Augen­hö­he der Kin­der ange­bracht und so gestal­tet sein, dass sie täg­lich nach der gemein­sa­men Refle­xi­on im Klein­team durch neue Fotos und Tex­te ergänzt wer­den kön­nen, um den Ver­lauf eines Pro­zes­ses zu beglei­ten. Durch die­se Aktua­li­sie­run­gen blei­ben alle Betei­lig­ten im Kon­takt mit dem Geschehen.

Den Kin­dern zei­gen die Doku­men­ta­tio­nen, dass ihre Tätig­kei­ten wahr­ge­nom­men und ernst genom­men wer­den Sie ermög­li­chen ihnen, ihre Lern­pro­zes­se noch ein­mal nach­zu­voll­zie­hen, dar­über zu spre­chen und zu reflek­tie­ren. Den Erwach­se­nen gestat­ten die Doku­men­ta­tio­nen, den Spu­ren der Kin­der über län­ge­re Zeit zu fol­gen, sie in ihren Lern­pro­zes­sen zu unter­stüt­zen und neue Ideen zu entfachen.

„Die Wand­do­ku­men­ta­tio­nen geben den Kin­dern, aber auch den Erwach­se­nen das Gefühl, dass sie Teil einer Erfah­rung oder einer Geschich­te sind, die über den jet­zi­gen Augen­blick hin­aus­reicht, die vor eini­ger Zeit begon­nen hat und in eine inter­es­san­te Zukunft ver­weist. Die Doku­men­ta­tio­nen laden ein, selbst Teil der Geschich­ten zu wer­den, indem sie ver­hei­ßen, dass zukünf­ti­ge Erfah­run­gen wert­ge­schätzt sein wer­den“ (Sten­ger 2010, S 133).

Kleine Ausstellungen

In den Räu­men einer Kin­der­ta­ges­stät­te soll­ten Plät­ze für klei­ne Aus­stel­lun­gen ein­ge­rich­tet wer­den: Fens­ter­bän­ke, ein Tisch oder ein Regal in Kin­der­hö­he. Klei­ne Aus­stel­lun­gen zei­gen, mit wel­chen The­men sich die Kin­der gera­de beschäf­ti­gen. Nach einem Spa­zier­gang bzw. Wald­tag kön­nen die Fund­stü­cke aus­ge­stellt wer­den. Wer­den Din­ge aus­ge­stellt, die für die Kin­der bedeut­sam sind, erhal­ten sie einen Rah­men und wer­den her­vor­ge­ho­ben. Dies unter­stützt die Kin­der, ihren Inter­es­sen nach­zu­ge­hen. Äußern die Kin­der auch sprach­lich die Bedeu­tung eines Fund­stü­ckes – zum Bei­spiel sym­bo­li­siert ein klei­nes Stöck­chen für ein Kind ein Boot –, kön­nen auf klei­nen Schil­dern die Bedeu­tun­gen fest­ge­hal­ten wer­den, sodass auch die Kolleg*innen und Eltern dies als Inter­ak­ti­ons­an­lass nut­zen können.

Eine Aus­stel­lung wächst Stück für Stück mit den Erfah­run­gen und Ideen der Kin­der. Die päd­ago­gi­sche Fach­kraft gestal­tet die Aus­stel­lung und stellt pas­sen­de Gegen­stän­de wie Bil­der oder Bücher bereit, die das Wei­ter­den­ken der Kin­der anre­gen kön­nen. Manch­mal ist es sinn­voll, die Aus­stel­lung mit einer Wand-Doku­men­ta­ti­on zu kom­bi­nie­ren. Wer­den zum Bei­spiel Bil­der oder ande­re Wer­ke der Kin­der aus­ge­stellt, könn­te die Wand-Doku­men­ta­ti­on den Ent­ste­hungs­pro­zess der Wer­ke aufzeigen.

Die Dokumentation als Gesprächsanlass nutzen

Peer-Interaktionen

Wand-Doku­men­ta­tio­nen und Aus­stel­lun­gen bie­ten Gesprächs­an­läs­se, denn sie sind Orte des Zusam­men­kom­mens für Kin­der, die ein­an­der von ihren Erfah­run­gen berich­ten. Dabei neh­men sie viel­leicht Bezug auf Bil­der oder Gegen­stän­de, die aus­ge­stellt sind. In der Krip­pe fin­det dies zum Bei­spiel über Zei­ge­ges­ten oder eine erfreu­te Kör­per­ges­tik statt. Die­se Momen­te sind wich­tig und soll­ten von den Pädagog*innen auf­merk­sam beglei­tet wer­den, um her­aus­zu­fin­den, was für die Kin­der bedeu­tungs­voll erscheint.

Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern

Die Doku­men­ta­tio­nen ermög­li­chen es der päd­ago­gi­schen Fach­kraft, bereits Gesche­he­nes auf­zu­grei­fen und mit den Kin­dern über Erleb­tes zu spre­chen. Je nach­dem, wie weit die Kin­der bereits in ihrem sprach­li­chen Aus­druck sind, wer­den sie viel­leicht in ein Gespräch ein­stei­gen und den päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten mehr über ihre Ideen und Gedan­ken erzählen.

Interaktionen zwischen Eltern und ihren Kindern

Doku­men­ta­tio­nen sind ins­be­son­de­re im U3-Bereich auch für Eltern inter­es­sant, da sie ihnen Ein­blick in die Lern­pro­zes­se ihrer Kin­der ermög­li­chen. So kön­nen Müt­ter und Väter einen Teil der Erfah­run­gen des päd­ago­gi­schen All­tags mit ihren Kin­dern tei­len, obwohl sie nicht dabei waren.

Wand-Doku­men­ta­tio­nen oder Aus­stel­lun­gen bie­ten Eltern einen Anlass, mit ihren Kin­dern ins Gespräch zu kom­men. Dabei ist es ins­be­son­de­re im U3-Bereich wich­tig, dass die Eltern Bezug auf die Bil­der und Tex­te neh­men kön­nen, die die Pädagog*innen zusam­men­ge­stellt haben, da die Kin­der in die­sem Alter noch wenig zusam­men­hän­gend erzäh­len, son­dern eher bestimm­te, für sie beson­ders rele­van­te Din­ge her­vor­he­ben, wie zum Bei­spiel, dass sie ihren Freund auf dem Pla­kat erkennen.

Die­se Form des Aus­tauschs ermög­licht tat­säch­lich eine Betei­li­gung der Eltern. Sie wer­den für aktu­el­le Fra­gen und The­men der Kin­der sen­si­bi­li­siert und neh­men zu Hau­se viel­leicht Ereig­nis­se wahr, die mit dem Gesche­hen in der Kita zusammenhängen.

Interaktionen zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften

Doku­men­ta­tio­nen machen die päd­ago­gi­sche Arbeit der Fach­kräf­te trans­pa­rent. Sie kön­nen für Gesprä­che mit Eltern genutzt wer­den, um die Bil­dungs­pro­zes­se der Kin­der auf­zu­zei­gen und zu erläu­tern, was hin­ter den abge­bil­de­ten Erfah­run­gen ste­cken könnte:

  • War­um ist etwas wich­tig für die Kinder?
  • Was kön­nen die Kin­der dabei lernen?

Gleich­zei­tig bie­ten Doku­men­ta­tio­nen die Mög­lich­keit, sich dar­über aus­zu­tau­schen, ob ein Kind zu Hau­se und in der Ein­rich­tung ähn­li­che Inter­es­sen zeigt. Viel­leicht sen­si­bi­li­siert das Gespräch die Eltern dafür, daheim bestimm­te Erfah­run­gen zu ermög­li­chen. Ande­rer­seits kön­nen die Eltern den päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten Hin­wei­se geben, die es ihnen ermög­li­chen, Ver­hal­tens- oder Hand­lungs­wei­sen des Kin­des zu ver­ste­hen und einzuordnen.